Um diesen Begriff gibt es ja einige Verwirrungen. In diesem Blogartikel erfährst du:
Ein Kommentar, den ich oft in meinen Frauenkreisen und Workshops höre, insbesondere beim ersten Mal:

Tantra ist ein spiritueller Weg. Das ist glaube ich das wichtigste Herausstellungsmerkmal, das ich hier einbringen will. Tantra fragt die große Frage der Selbsterkenntnis: Wer bin ich?
Tantriker und Tantra als spirituellen Weg gibt es schon viele Jahrhunderte und hatte eine große Blütezeit im mittelalterlichen Indien. Der kashmirische Shivaismus, entstanden im 8. und 9. Jahrhundert inspiriert und leitet tantrische Schulen bis in die moderne Zeit.
Der tantrische Buddhismus, Vajrayana, der im 4. Jahrhundert entstanden ist, lebt und findet seine Lebendigkeit in den vielen Schulen des tibetischen Buddhismus auf der ganzen Welt.
Klassische rechtshändige hinduistische Tantra Schulen initiieren ihre Studenten in die Weisheit der 10 Weisheits-Göttinnen, die Mahavidyas und die modernen Neo- Tantriker arbeiten mit Methoden der Psychotherapie und Meditation um mehr und mehr in ihre wahre Essenz zu leben.
Das hört sich jetzt nach einem ziemlichen Blumenstrauß an Möglichkeiten an und das ist es auch. Das macht es auch so verwirrend, wenn wir über “echtes” Tantra sprechen, denn Tantra kann sehr viele Gesichter haben.
Man kann sich Tantra wie eine Sub-Strömung vorstellen, die sich in verschiedenen Jahrhunderten und Zeiten in bestehende Systeme integriert haben und uns damit viel Reichtum und Verfeinerung schenken. Es gibt aber ein paar Gemeinsamkeiten, von denen ich hier ein paar aufgreife:
Tantra ist ein spiritueller Weg
Damit stellt Tantra immer die fundamentale Frage nach dem “wer bin ich?”
Tantra beinhaltet damit immer Meditation und Techniken der Meditation und ermöglicht uns, diese Nicht- Duale Erkenntnis des Selbst selbst zu erkennen. Tantrische Meditationen und Techniken tragen diese Essenz in sich.
Tantra ist ein Non- Dualer Weg
Das heißt, Tantra erkennt die fundamentale Einheit der gesamten Existenz an.
Tantra ist ein Weg, der das Weibliche verehrt und mit Energie arbeitet
Im Vergleich zu asketischen spirituellen Wegen, die die Welt als Illusion ablehnen, von der wir uns bestmöglich entfernen sollen, ist Tantra ein Weg, der das Weltliche umarmt und integriert. Jeder Aspekt des Mensch- Seins kann im Tantra ein tieferer Schlüssel zur Selbsterkenntnis sein. Symbolisch repräsentiert wird diese Zuwendung zum weltlichen oft die Verehrung der Göttin, die sich in allen Aspekten der Manifestation widerspiegelt. Shakti, die fundamentale Energie, die in einem ewigen Tanz mit Shiva, dem puren Bewusstsein ist.
In vielen tantrischen Traditionen werden Göttinnen als fundamentale Weisheits-Verkörperungen verehrt. Im hinduistischen Tantrismus zum Beispiel in Form der 10 Mahavidyas, auch im tibetischen Buddhismus gibt es eine Vielzahl an Weisheits-Göttinnen wie Tara oder Kali, die Verehrung finden. Jede dieser Formen steht für eine fundamentale Energie, die wir auch in unsere eigene Praxis integrieren können- z.B. Tara für Mitgefühl.
Tantrische Praktiken arbeiten sehr viel mit Energie, z.B. wird mit bestimmten Mantras und Yantras (heilige Geometrie) gearbeitet, um Resonanz mit einer spezifischen Göttin oder Energie im eigenen Wesen herzustellen und zu verkörpern. Tantrische Schulen arbeiten auch Kundalini-Energie, der fundamentalen Lebenskraft, die in all unseren Körpern existiert.
Tantra ist ein mystischer, erfahrungsbasierter Weg
Im Tantra geht es darum, Weisheit und Bewusstsein selbst zu verkörpern und tiefere Einsicht in der eigenen Meditationspraxis zu erfahren. Weisheit und Erkenntnis soll direkt und selbst erfahrbar sein.
Linkshändisches vs. Rechtshändisches Tantra
Linkshändiges Tantra arbeitet mit Sexualität, während rechtshändiges Tantra nicht aktiv mit Sexualität arbeitet. Im Tibetischen Buddhismus z.B. wird nicht körperlicher Sexualität gearbeitet, sondern mit dem geistigen Aspekt der Vereinigung von weiblichen und männlichen Polaritäten im eigenen Bewusstsein.
Neo-Tantra ist oft linkshändisch orientiert und greift sexuelle Praktiken auf, die alleine und in Partnerschaft praktizieren können.
Grundsätzlich ist das Arbeiten mit einem Partner nur ein kleiner Teilbereich im Tantra, auch in der linkshändigen tantrischen Sexualität. Im Kern geht es darum, die Polaritäten im eigenen Wesen zu erkennen.
Klassisches Tantra vs. Neo-Tantra
Klassisches Tantra hat viele Formen, da es über die verschiedenen Jahrhunderte an verschiedenen Orten und Schulen entstanden ist. Neo-Tantra entstand in den 1960ern in der Osho Bewegung. Neo Tantra macht die tantrische Philosophie und Geisteshaltung für uns moderne Menschen zugänglich, es holt uns in unserer Realität in der Moderne ab. Deswegen integriert Neo-Tantra viele Methoden aus z.B. der modernen Therapie, Gestalttherapie und anderen Strömungen, um mehr und mehr die eigene Essenz zu erfahren.
Tantra Massage
Ist eine moderne Entwicklung aus dem Neo-Tantra. Tantra-Massagen wurden entwickelt, so dass wir modernen Menschen tiefer Zugang in die Präsenz des eigenen Körpers finden. Tantra Massage ist ein kleiner Teilbereich des modernen Tantra, sie kann eine schöne Ergänzung im linkshändigen Weg sein, es ist aber nicht notwendig sie zu praktizieren.
Was Tantra nicht ist
Als Daumenregel würde ich sagen, alles was nicht als spiritueller Weg praktiziert wird und keine Meditation enthält.
Viele Formate der bewussten Sexualität tragen mittlerweile das Label Tantra, doch wenn das Element der Meditation fehlt und der tiefen Selbstbefragung, dann ist es eben nicht Tantra. Das bedeutet nicht, das diese Formate schlecht sind: es gibt mittlerweile viele tolle Sex-Positive Räume, Sexological Bodywork und ähnliches, das uns hilft unsere Sexualität zu entdecken und besser zu leben. Aber wenn diese Praxis nicht als spiritueller Weg mit mystischem Kern gelebt wird, ist es eben kein Tantra.
Es lohnt sich, im Tantra auch immer nach der Lineage zu fragen- also die spirituelle Linie, die jemand praktiziert. Klassischerweise findet das Weiterreichen von Weisheit in Form einer Linie statt.
Tantra und Sexualität
In linkshändischen Wegen können wir Sexualität als Teil unserer spirituellen Praxis erleben. Ich finde diesen Teil sehr bedeutsam für uns Menschen in der modernen Welt, in der Sexualität tabuisiert und objektiviert wird. Die eigene Sexualität als heilig zu erleben, die tieferen Aspekte deiner spirituellen Essenz in deinem Körper zu erleben, Extase, Liebe und Freude in unermesslichem Ausmaß, unsere Sexualität kann ein Schlüssel dazu sein. Wenn wir wissen, wie.
Die tantrische Praxis sollte sich aber nicht auf Sexualität alleine beschränken. Ich empfehle unbedingt zu der Praxis in der Sexualiät auch eine Praxis in einer klassischen Meditationsmethode.
Weiterführende Informationen
Zum Lesen: In dem Blogartikel “Tantra Schulen, die ich mag” findest du ein paar meiner Empfehlungen.
Zum Hören: Ich habe zu dem Thema was ist Tantra auch einen Podcast mit Marianne aufgenommen, den du hier findest:
In diesem Sinne wünsche ich dir viel Spaß beim explorieren.
Jasmim